Rede zur Beschlussvorlage B 0050/2013

Bernd Buxbaum

Die Beschlussvorlage „Wohngebiet nördlich der Studentensiedlung Holzhausen“ erwartet von der Bürgerschaft die Entscheidung zur Änderung des Landschaftsplanes, des Flächennutzungsplanes und der Erstellung eines Bebauungsplanes auf dem genannten Areal.

 

Im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und Gäste im Saal,

die vorliegende Beschlussvorlage B 0050/2013:
„Wohngebiet nördlich der Studentensiedlung Holzhausen“ erwartet von der Bürgerschaft die Entscheidung zur Änderung des Land- schaftsplanes, des Flächennutzungsplanes und der Erstellung eines Bebauungsplanes auf dem genannten Areal.
Bereits seit Monaten beschäftigt das Vorhaben, neben der Verwaltung die Bürgerschaftsmitglieder und sachkundige Einwohner, in dem zuständigen Aufsichtsrat, den Ausschüssen und ihren Fraktionen einerseits – andererseits jedoch auch auf öffentlichen Veranstaltungen mit Einwohnern, in der Presse und im Dialog mit einer Bürgerinitiative.

Wer sich mit diesem Thema, auch nur ansatzweise, ernsthaft beschäftigt, stellt schnell fest mit einem Komplex von Problemen und Fragen konfrontiert zu sein. Ohne Anspruch auf deren Vollständigkeit erheben zu wollen, zähle ich einige Stichpunkte kurz auf:

  • Stadtentwicklung
  • Einnahmeentwicklung für die Stadt
  • Bevölkerungsentwicklung
  • Weltkulturerbe
  • Baurecht
  • Raumplanung
  • Ökologie
  • Umweltschutz
  • Küstenschutz
  • Umweltethische Fragen
  • Landwirtschaft

Auf sich daraus ergebenden Fragen oder Risiken die sich auf tun, geht die Beschlussvorlage so gut wie gar nicht ein - abgesehen von den Diskussionen während der heutigen Sitzung.

Die am häufigsten vorgetragenen Argumente pro sind:
Generierung von Einnahmen durch Zuzug von, wie man sich vorstellt, Vermögenden und Gewinnerwirtschaftung durch die Vermarktung von entwickelten Flächen durch die LEG mbH und deren Abführung an die Stadt, letzteres festgeschrieben im Haushaltssicherungskonzept.

Selbstverständlich könnte sich die Bürgerschaft in der Diskussion nur auf diese Argumente einlassen und von der Verwaltung die ausstehende Beweisführung einfordern. Dass die Nachfrage nach attraktiven Bauplätzen unverändert hoch ist, glaube ich gern, weil es wohl kaum ein schöneres, sicheres Fleckchen Erde, mit herrlicher Aussicht gibt, auf dem ein Superreicher nicht gern für sich bauen lassen würde. Wer weiss denn genau wo diese überall Bauanfragen stellen. Jedoch diese Argumentationslinie greift nicht das wirkliche Problem auf. Und so komme ich zu dem Kern.

Es soll die natürliche Bebauungsgrenze der Stadt im Norden entgültig durchbrochen werden, in dem landwirtschaftliche Nutzfläche vernichtet wird. Sind es zunächst etwa 4 ha. - glaubt wohl niemand ernsthaft im Raum, dass es dabei bleibt. Wenn das geschehen ist, gib es keine Argumente mehr die Bebauung bis hin nach Parow zu vermeiden. Und dort wird dann entsprechend reagiert werden. Das ist bereits einigen Aussagen von der Gemeinde Kramerhof zu entnehmen.

In Deutschland sind noch 2010 pro Tag 77 ha für Siedlungs- und Verkehrsflächen verbraucht worden, seit 2004 zwar mit abnehmender Tendenz. Damals gar 131 ha pro Tag. Das Bevölkerungswachstum bleibt deutlich hinter dem Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsfläche zurück. Daraus ergeben sich höhere Kosten für die Infrastruktur durch die sinkende Einwohnerdichte. Landwirtschaftliche Betriebe, die sind für unser Bundesland besonderst wichtig, werden durch den Verlust von Argrarflächen zunehmend bedrängt. Um dem entgegen zu wirken hat die Bundesregierung im Januar 2012 einen Gesetzentwurf veröffentlicht, mit dem Ziel die „Flächenneuinanspruchnahme auf 30 ha pro Tag zu reduzieren“.

Das ist das „Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weitere Fortentwicklung des Städtebaurechts“. u.A. heißt es: §1a wird unter bb) folgender Satz angefügt: Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zu Grunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können.

An dieser Stelle passt eine Grundaussage von Oswald von Nell-Breuning, der als Nestor der katholischen Soziallehre gilt: So sind in der Gemeinschaft alle und jeder einzelne für das Wohl und Wehe der Gemeinschaft verantwortlich und haben dafür einzustehen. … Umgekehrt haftet aber die Gemeinschaft für jeden einzelnen. Erst diese wechselseitige Bezogenheit und Haftung macht die Solidarität vollkommen. Somit stoßen wir auf einen wichtigen Grundsatz im Baugesetzbuch, dass in der Planung die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander gerecht abzuwägen sind.

Ich zitiere: … eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleistet (n). Sie (die Bauleitpläne) sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.

Dazu finde ich in der bisherigen Argumentation der Verwaltung oder der Befürworter dieses Projektes auch keinerlei Stellungnahmen. Sollte das noch beabsichtigt sein, empfehle ich einen Blick in das Leitbild der Hansestadt Stralsund. Dort ist formuliert: Natur und Umweltbewusstsein bildet sich auch im Freizeitverhalten zunehmend heraus – bei Touristen wie bei Einheimischen. Auch ein sehr schönes Motto gibt es im Leitbild “Der Nationalpark wächst in die Stadt” , das ist gut und deshalb ist es wichtig die Umdrehung des Mottos etwa - die Stadt wächst in den Nationalpark - zu verhindern.

Gestatten Sie mir, und liebe Kolleginnen und Kollegen der rechten Seite hören sie bitte jetzt genau zu, dass ich sie an ein politisches Ziel aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009, erinnere:

Innenstädte und Ortskerne sind Schlüsselfaktoren für die Stadtentwicklung; sie sind zur Identifikation der Bürger mit ihren Städten und Gemeinden unverzichtbar. Umstruktuierungsprozesse können jedoch die Zentren in zunehmenden Maße gefährden. Es ist daher ein Ziel der Städtepolitik des Bundes, die Innenentwicklung zu stärken. Dabei geht es zum einen darum, die Neuinanspruchnahmen von Flächen auf der „Grünen Wiese“ weitestgehend zu vermeiden.

Die Fraktion DIE LINKE ist der Auffassung, dass ausgewogene und Nachhaltige Möglichkeiten zu suchen sind, die Stadt als Wohnstätte für ihre bisherigen und neuen Einwohner zu entwickeln und stimmen deshalb der Vorlage nicht zu.

Abschließend noch eine Bemerkung zu dem Einwurf des Kollegen Schefter hinsichtlich der Errichtung von Solaranlagen auf Ackerflächen. Das ist nicht zu vergleichen, da eine Wohnbebauung eine vergleichsweise langfristige Flächennutzung gegenüber der Flächennutzung für die Übergangstechnologie der Photovoltaik darstellt.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit