Rede zur Vorlage "Errichtung eines Gedenkstein zur Erinnerung an die Ereignisse des 17. Juni."

Bernd Buxbaum

Die Beschlussvorlage B 0039/2013 beschäftigt sich mit zwei historischen Ereignissen von den eher wenige von uns beide Vorgänge bewusst miterlebt haben dürften.

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und Gäste im Saal,

Die Beschlussvorlage B 0039/2013 beschäftigt sich mit zwei historischen Ereignissen von den eher wenige von uns beide Vorgänge bewusst miterlebt haben dürften.

Was jedoch die meisten hier kennen, sind im Wesentlichen zwei offizielle Darstellungen und Deutungen zu den Vorgängen um den 17. Juni in der DDR. Zunächst die, von einem, vom RIAS gesteuerten faschistischen Putschversuch einerseits und andererseits von einem Volksaufstand bzw. Arbeiteraufstand gegen den Sozialismus.

Nun überrascht wirklich niemanden mehr wenn historische Ereignisse unterschiedlich dargestellt und bewertet werden. Insbesondere wenn diese durchaus in der jüngeren Vergangenheit liegen, aber auch, wenn die aktuelle Politik der Versuchung nicht standhält, Nutzen aus einer bestimmten Deutung ziehen zu können.

Als Beleg für die Widersprüchlichkeit der damaligen Situation möchte ich zwei Namen anführen und kurz das Schicksal der Personen erwähnen.

 (Quelle gekürzt aus Wikipedia)

1. Max Fechner, Justizminister in der DDR von 1949 bis 1953, seit den zwanziger Jahren Mitglied der SPD, von 1933 bis 1934 im KZ Oranienburg eingesperrt, sprach sich als Justizminister in einem Interview des Neuen Deutschlands am 30. Juni 1953 gegen eine Strafverfolgung der streikenden Arbeiter aus.

Daraufhin wurde Fechner als „Feind des Staates und der Partei“ seines Amtes enthoben, aus der SED ausgeschlossen und verhaftet. Nach zweijähriger Untersuchungshaft wurde er vom Obersten Gericht zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

Am 24. Juni 1956 wurde er aus der Haft entlassen und zwei Tage später amnestiert. Im Juni 1958 wurde seine Parteimitgliedschaft wiederhergestellt.

1967 erhielt er den Vaterländischen Verdienstorden und 1972 den Karl-Marx-Orden

2. Karl-Heinz Pahling

Als einziger eines vierköpfigen Streikkomitees wird er am 19. August 1953 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Damit erhält er die höchste Freiheitsstrafe, die im Bezirk Potsdam im Zusammenhang mit den Ereignissen des 17. Juni 1953, ausgesprochen wird.

Er hat die Forderungen des Streik - Komitees dem Rat der Stadt Belzig überbringen sollen, die da waren,

- Haftentlassung ihrer wegen politischer Vergehen Verurteilten

<- Herabsetzung der Normen

- Abschaffung des Spitzelsystems

- freie Wahlen und Abzug aller Besatzungstruppen in ganz Deutschland

An diesem Tag verhinderte er ebenfalls Ausschreitungen gegen SED-Funktionäre und verhandelte mit dem russischen Kommandeur eines Mannschaftswagens.

Trotz mehrerer Gnadengesuche wird Karl-Heinz Pahling erst am 19. November 1960 aus dem Zuchthaus Brandenburg entlassen. 1991 vollständig rehabilitiert, heute noch in der SPD aktiv.

Ich sage das bedrückt und die Menschenopfer belasten. Wegen meiner politischen Überzeugung kritisiere ich diese Urteile, weil sie politische Urteile sind.

Als Beleg wie schwierig die Situation in Deutschland damals war, ist die Position des damaligen Premierministers des Vereinigten Königreichs, Winston Curchill, darzustellen.

Er sah den Aufstand kritisch, da er dadurch seine Initiative für eine erneute Vier-Mächte-Konferenz gefährdet sah.

Er erklärte der Sowjetregierung, dass sie im Recht gewesen sei, als sie den Aufstand niederschlug

Zur Erinnerung an diesen Teil unserer Geschichte soll nun ein großer Stein mit der Aufschrift „Wir sind das Volk 1953 – 1998“ stehen.

Ich kann durchaus, in bestimmten Rahmen, Verständnis für ein Gedenken an diesen Tag aufbringen.

Jedoch, so verkürzt, wie vorgesehen, ist das nicht machbar, wenn der Verdacht der Geschichtsbeugung oder eines Geschichtsmissbrauchs vermieden werden soll.

Weil, damals, 1953 sind die Sprechchöre „Wir sind das Volk“ nicht gerufen worden und 1989 gab es keine, nennenswerten Streiks.

Und zur Erinnerung der Ruf wir sind das Volk wurde von sehr vielen so benutzt und verstanden - wir wollen den Sozialismus besser.

Selbst Kurt Masur unterschrieb und verlas den Aufruf am 09.Oktober 1989:… wir brauchen einen freien Meinungsaustausch über die Weiterführung des Sozialismus in unseremLand.

Also mit der Verknüpfung der Ereignisse von 1953 und 1989 mit dem Spruch „Wir sind das Volk“ wird eine, moderat formuliert, historisch äußerst oberflächliche Betrachtung dokumentiert.

Daran sollte sich die Bürgerschaft nicht beteiligen.

Was werden Touristen denken, wie werden es Kinder auffassen wenn sie diesen Gedenkstein sehen. Die schließen daraus - hier fanden Montagsdemonstrationen statt.

Der Ruf „Wir sind das Volk“ wurde dort, damals nicht getätigt.

Zu ergänzen wäre außerdem: Auf diese Formulierung wurde später bei sozialen Protesten, bis heute, zurückgegriffen.

Und ob das zur Aufgabe einer Diakonischen Einrichtung gehört, Gedenksteine zu errichten, sollten die Vereinsmitglieder selbst gern einmal hinterfragen.

Ich, und die Fraktion DIE LINKE sind der Auffassung dass es treffendere Möglichkeiten gibt sich dieser Ereignisse öffentlich zu erinnern und stimmen deshalb der Vorlage nicht zu.

Bernd Buxbaum