Qualitätserhalt des Nahverkehr in Stralsund - Rede in der Bürgerschaftssitzung vom 1. Dezember

uwe Jungnickel

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrtes Präsidium, liebe Kollegen,
liebe Gäste!

Mit großen Befürchtungen haben große Teile der Bevölkerung die Ergebnisse der Evaluierung des Nahverkehrs in unserer Stadt zur Kenntnis genommen. Nun haben wir hier 2 Anträge vorliegen, die in großen Teilen übereinstimmen. Das ist sehr zu begrüßen, demonstriert das doch, dass dieses Thema von der gesamten Bürgerschaft als sehr wichtig für die weitere Entwicklung unserer Stadt eingeschätzt wird.

Ich glaube, dass wir alle gemeinsam hinter dem Ziel des OB stehen, dass Stralsund mittelfristig um mindestens 10.000 Einwohner wachsen soll. Das muss aber einhergehen mit mindestens einer Erhaltung des Leistungsangebotes des Nahverkehrs in Stralsund. Eigentlich ist aber dazu eine Erweiterung notwendig.

Dem entgegen stehen aber die Signale, die wir aus dem Landratsamt vernehmen. Auch wenn nun in der vergangenen Woche eine Einigung in der vorläufigen Finanzierung gefunden wurde, so ist dies weder Nachhaltig noch Problemlösend. Sowohl Hansestadt als auch Landkreis haben ein HASIKO, beide haben die Konsolidierungsvereinbarung, auch „Knebelvertrag“ genannt unterschrieben. Ein Zuschuss von Seiten unserer Stadt wäre also eine freiwillige Leistung, die dieser Vertrag ausschließt.

Das ÖPNV – Gesetz verlangt in § 2 Abs. 3 eine „bedarfsgerechte Anbindung der Wohngebiete und Arbeitsstätten, der Schulen, kult. Einrichtungen usw.“ Als Aufgabenträger werden Landkreise und kreisfreie Städte benannt; jedoch sieht § 3 Abs. 4 ausdrücklich die Möglichkeit der Übertragung an eine kreisangehörige Gemeinde vor. Diese Möglichkeit, die wir ja auch bei den Schulen genutzt haben, möchten wir auch beim Nahverkehr nicht aus den Augen verlieren.

Die Landesregierung und der Landrat haben bei der Kreisgebietsreform vollmundig versprochen, dass sich für die Bürger nichts verschlechtert und die Synergieeffekte enorm seien. Tatsächlich ist davon nur wenig eingetreten. Ämter wurden geschlossen, die Wege für die Bevölkerung im Kreisgebiet sind erheblich weiter geworden, die Kreisverwaltung ist in bestimmten Bereichen kaum arbeitsfähig.

Uns in der Stadt hat es besonders bei der Erhöhung der Abfallgebühren getroffen, und nun soll es mit Qualitätseinbußen im Nahverkehr weitergehen. Die Anträge zeigen, dass niemand von uns dass will. CDU, FDP und Grüne wollen das Land in die Verantwortung nehmen, was prinzipiell ja richtig ist. Nur fehlt meiner Fraktion das Vertrauen in das Land. Dazu haben wir in der Vergangenheit zu viel erlebt! Das Land lebt seit Jahren auf Kosten der Kreise und kreisfreien Städte. Beispielgebend sei hier nur die Theaterlandschaft genannt oder die Schulsozialarbeiter. Ich warte nur darauf, dass unser Polizeirevier geschlossen wird und wir dann vom Land zu hören bekommen, wir könnten ja dafür einen Wachdienst auf eigene Kosten beauftragen. Nichts anderes macht übrigens der Kreis bei uns mit der Nahverkehrsdienstleistung.

Nun könnte man ja sagen, eine Rückholung geht nicht. Wir erleben jeden Tag in der Wirtschaft, wie Unternehmen fusionieren und später wieder Geschäftsbereiche abtrennen. § 123 Abs. 2 Umwandlungsgesetz zeigt den Weg. Man könnte auch sagen, wir haben den Nahverkehr fusioniert, damit wir nicht europaweit ausschreiben müssen. Dieses Argument hat einen gewissen Charme, trägt aber nicht weit. Eine Pflicht zur europaweiten Ausschreibung gilt nicht für Städte und Bereiche mit eigenen Verkehrsbetrieben. Des Weiteren könnten Stadt und Landkreis eine Bietergemeinschaft bilden. Sollte doch ausgeschrieben werden müssen, wären wir als Stadt Herr des Verfahrens und könnten Standards vorgeben, wie Tariftreue, Taktzeiten, Umweltstandards, Fahrkomfort usw. Das wäre mehr, als wir jetzt haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, laut HASIKO des Landkreises sollen ab 2020 keine Zuschüsse mehr in den Nahverkehr fließen. Jeder hier weiß jedoch, dass kein Nahverkehr sich selbst trägt. Spätestens 2020 müssten wir als Stadt wieder die gleichen Zuschüsse zahlen wie vor der Fusion. Die Alternative ist ein Nahverkehr in Stralsund, der einen Namen nicht mehr Wert ist. Der OB hat im Vorfeld des Gespräches mit dem Landrat die Situation der Nahverkehrsbetriebe in den anderen ehemaligen kreisfreien Städten abgefragt. Das Ergebnis liegt allen vor:

-Wismar beteiligt sich nicht an den Kosten

-Greifswald hat seinen Nahverkehr behalten und der Kreis trägt etwa 45% der Kosten

-Neubrandenburg hat seinen Nahverkehr ebenfalls behalten und der Landkreis trägt die Kosten zu 100%

Fazit:
auf das Land ist aus unserer Sicht kein Verlass und wenn sich der Landkreis ab 2020 aus der Finanzierung zurückziehen will, können wir es auch gleich allein machen.

Vielen Dank!

 

Auszug aus dem Protokoll der Bürgerschaftssitzung und das Abstimmungsverhalten der Mitglieder: