Die Bundestagsabgeordnete Frau Claudia Müller folgte der Einladung zur gemeinsamen Sitzung des Wirtschafts- und des Werftausschusses

Bernd Buxbaum

Am 10.11. wurde die Bundestagsabgeordnete und Koordinatorin der Bundesregierung für maritime Wirtschaft und Tourismus, Frau Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen) zur gemeinsamen Sitzung mit dem zeitweiligen Ausschuss Volkswerft, begrüßt. Der Anregung von Michael Adomeit im Frühjahr folgte der Wirtschaftsausschuss und beschloss Frau Müller, zu einer gemeinsamen Sitzung mit dem zeitweiligen Ausschuss Volkswerft einzuladen.

Schon die Namen beider Ausschüsse und die Funktion von Frau Müller gaben bereits den Themenrahmen vor. Dies und sicher die Situation der Werft und der Tourismusbranche in unserer Region, erregte, für eine Ausschusssitzung ein außergewöhnlich hohes Zuschauerinteresse.

 

Um die zur Verfügung stehende Zeit effektiv zu nutzen, formulierten die beiden Ausschussvorsitzenden, Bernd Buxbaum und Sebastian Lange, zuvor eine Reihe von Fragen zu zwei Themenkomplexen. 1. zu Chancen der maritimen Wirtschaft und deren Perspektiven mit Fokus auf die ehemalige Volkswerft sowie dem gesamten Ostseeraum und 2. zur Unterstützung des Tourismus durch den Bund nach der Corona Pandemie, bei Rekordinflation, steigenden Energiekosten und rückläufigen Gästezahlen.

 

Zum Einstieg in das Thema der maritimen Wirtschaft, stellte Frau Müller dar, dass die Regierung stärker als bisher den Fokus auf die maritime Wirtschaft richtet, eine Neubewertung des Schiffbaus in Deutschland vornimmt und die Fragen zur Schiffbaufinanzierung völlig neu zu denken hat. Finanzierungsvolumen von mehreren hundert Millionen Euro bis zu eine Milliarde Euro für Spezialschiffe können nur mit Großbürgschaftsprogramme finanziert werden. Bisher stehen für Exportgeschäfte Hermes Kredite (Exportkreditgarantie) und CIRR-Kredite zur Zinsrisikoabsicherung zur Verfügung. Jedoch richten sich diese Förderprogramme nicht an die Werften, sondern an die Auftragsgeber. Leider sehen diese Programme nicht die Bindung an einen Standort vor, sondern an Fahrzeiten des fertig gestellten Schiffs in bestimmten Regionen.

Mit speziell ausgerichteten Förderprogrammen unterstützt die Bundesregierung mittels Zuschüssen und Darlehen die einheimische maritime Wirtschaft, sowie die Aus- und Weiterbildung von Schiffsmechanikern und Offizieren (auch weiblich). Von den erwähnten 15 Förderprogrammen, sind aus Platzgründen hier nur drei angeführt. 1. Innovativer Schiffbau sichert wettbewerbsfähige Arbeitsplätze – BAFA, 2. Ausbildungsplatzförderung in der deutschen Seeschifffahrt – BSH und 3. Bau von Betankungsschiffen für LNG und nachhaltige erneuerbare Kraftstoffalternativen in der Schifffahrt (Betankungsschiff RL) – BFA.

Vor dem Hintergrund, dass es von den 34 in der EU zugelassenen Schiffsrecyclingstandorten nicht einen in Deutschland gibt, könnte das Thema Schiffsrecycling durchaus Bedeutung für den maritimen Gewerbepark Volkswerft erlangen. Jedoch haben vor allen die Abwrackwerften in Asien, gegenüber einem hiesigen Standort deutliche Vorteile bei der Nachfrage nach Stahl, den Arbeitskosten und -bedingungen. Die EU hat angekündigt, im Rahmen der vorgesehenen Evaluierung der EU-Schiffsrecyclingverordnung, finanzielle Anreizsysteme zu prüfen. Chancen für die regionale maritime Industrie bestehen u.a. in der Aufgabe die Küsten- und Binnenschiffe nachhaltig und technologieoffen (Schadstoffminimierung, alternative Antriebe) zu modernisieren. So gibt es einen Bedarf ca. 400 Küstenmotorschiffe auf Gasbrennstoff umzurüsten. Das zeigt, Arbeitsmöglichkeiten, jenseits von Gigaprojekten, gibt es. Die Ausführungen von Frau Müller, dass in der maritimen Industrie vor allem Konstruktionskapazitäten fehlen, konnten der Gewerkschaftler (IGM) Herr Fröschke und der Betriebsrat Herr Fischer so nicht stehen lassen, denn allein unter den Gästen befanden sich zwei Konstrukteure die Arbeit suchen und nicht aus der Region fort wollen...Zu dem Themenkomplex Tourismus war die Position von Frau Müller eindeutig. Der Tourismus braucht dringend Unterstützung, jedoch ist diese Aufgabe nur arbeitsteilig, zwischen Bund und Land zu bewältigen. Der Bund schafft die Rahmenbedingungen, die Länder sind für die Entwicklung und Vermarktung zuständig. So plant beispielsweise die Landesregierung in Schwerin als erstes Bundesland ein Tourismusgesetz. Die Antwort der Bundesregierung auf die seit etwa einem Jahr hochschnellenden Energiepreise ist der Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes. Hieraus werden bis zu 200 Milliarden Euro für die Strom- und Gaspreisbremse bereitgestellt. Davon profitiert das Gastgewerbe unmittelbar sowie andere Branchen auch. Darüber hinaus sind zusätzliche Maßnahmen für Unternehmen vorgesehen, welche nur unzureichend von der Strom- und Gaspreisbremse erreicht werden können. Zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur in strukturschwachen Regionen können einzelbetriebliche Investitionen zum Ausbau der Touristischen Infrastruktur gefördert werden. Diese Entscheidung liegt bei den Ländern, wobei die Finanzierung je zur Hälfte vom Bund und Land erfolgt. Von 2017 bis 2021 sind so für den Tourismus in unserem Bundesland knapp 300 Millionen Euro solcher Fördermittel (GRW) bewilligt worden. Das entspricht etwa 38% aller in M-V in diesem Zeitraum bewilligten GRW-Mitteln und stellt die dritthöchste Quote dieser Mittel im Vergleich zu den anderen Bundesländern dar. Als Beispiele zu Fördermaßnahmen in unterschiedlichen Kategorien sind u.a. angeführt worden. 1. ohne Einnahmen zu generieren: Wander-, Rad- und Reitwege, unentgeltliche Informationszentren, Promenaden, Seebrücken, unentgeltliche Bootsanlegestellen, 2. mit Einnahmen: Schlechtwetterfreizeitangebote, kleine örtliche Museen und 3. als einnahmenschaffende Maßnahmen: Bädereinrichtungen, Thermalbäder oder Basisinfrastruktureinrichtungen mit touristischem Bezug.  Den anschließenden Meinungsaustausch nutzen einige Ausschussmitglieder um darzustellen, dass die Verwaltung und die Bürgerschaft in diesen extrem schwierigen Zeiten alles Erdenkliche unternimmt um Stralsund voran zu bringen. Herr Rademacher, als Vertreter der IHK, meldete sich zu Wort um auf die dramatische Situation im Tourismus hinzuweisen und indirekt die Bürgerschaftsmitglieder kritisch hinsichtlich der geplanten Bettensteuer anzusprechen. Wie schwierig die Lage für den Handel ist berichtete Herr Grundke als Geschäftsführer eines Elektronikfachmarktes am Beispiel seines Unternehmens das nun erstmals rote Zahlen schreibt. Dem Handel bliebe derzeit nur die Hoffnung auf ein rettendes Weihnachtsgeschäft. Allen Anwesenden war klar, dass Frau Müller weder Arbeitsplätze noch Aufträge für die maritime Wirtschaft oder dem Tourismus regnen lassen kann. Gleichwohl können solche Treffen Impulse und Anregungen geben, mit welchen Mitteln die maritime Wirtschaft und der Tourismus in Stralsund Antworten auf die aktuellen Herausforderungen finden kann. Mit Dank für ihr Kommen wurde Frau Müller verabschiedet.

Bernd Buxbaum

Vorsitzender des Ausschusses für

Wirtschaft, Tourismus und Gesellschafteraufgaben